Vor fünf Jahren habe ich einmal versucht etwas von dem zu beschreiben, was ich unter ‚Umkreis‘ verstehe.
Mehr als ein Verein…
Ein persönlicher Blick auf eine Entwicklung
Wenn man nach dreißig Jahren zurück schaut auf die Entwicklung eines Vereins, dann wird jeder seine eigene Geschichte erzählen. Sie beziehen sich alle vielleicht mehr oder weniger auf das Objekt in der Mitte – diesen Verein-, aber eigentlich bleibt die eigene Geschichte im Vordergrund, die des Vereins dient als Hintergrund, oder Projektionsfläche. Wenn man dann versucht diese Geschichte zu verobjektivieren, indem man die Geschichte nicht persönlich erzählt, dann entsteht in der Mitte der Erzählung eine Art Gegenstand, beispielsweise der Umkreis e.V.. Den Umkreis e.V. gibt es aber eigentlich nur als Rechtswesen, eine eigene, andere Wirklichkeit hat er nicht. Trotzdem ist diese Figur mit den Lebensentwicklungen von vielen Menschen verknüpft. Insofern ist die Gefahr real, dass man (wie z.B. bei der SPD oder der Anthroposophischen Gesellschaft) eine Art Objekt aus einem solchen Verein macht, dass man dann versucht auch zu erhalten. Die Wirklichkeit besteht aber nicht aus diesem schattenhaften Einzelgegenstand, dem man eine Geschichte zuspricht, sondern aus den Intentionen der beteiligten Menschen. Was waren diese Intentionen am Beginn der Entwicklung, was waren sie dazwischen und was sind sie heute? Der Umkreis e.V. hat als kleiner Verein den Vorteil, dass die einzelnen beteiligten Menschen noch im Vordergrund stehen und wissen, dass sie nicht einem Verein beigetreten sind, sondern einer Vereinigung von bestimmten Menschen mit bestimmten Willensrichtungen. Jeder könnte wahrscheinlich auch noch genau herleiten, welche Menschen in welcher konkreten eigenen Lebenssituation die Anknüpfungspunkte für den eigenen Zugang zu diesem Milieu waren. Das bedeutet das Prinzip ist hier im, Gegensatz zum allgemeinen Vereinswesen, nicht der Anschluss an einen Verein und einen Vereinszweck, sondern der Anschluss an andere Menschen und an deren Willensbewegungen. Es handelt sich also ganz konkret um ein karmisches (schicksalhaftes) Beziehungsgeschehen. Dieser Anschluss und die weitere Entwicklung hatte für die meisten Beteiligten einen direkten Bezug zu ihrem eigenen Ich, wenn man dieses mehr in seinem Schicksal (also Weltbezug) als im Innenbezug sehen kann.
Die Ahnung bei der Gründung des Umkreises, also noch vor der Vereinsgründung, war, dass es eine Art ‚therapeutisches Milieu‘ braucht, damit man wirklich gesund werden kann. Das ‚Ich‘ braucht ein Milieu, in dem seine Ich-Entwicklung stattfinden kann, eine Art ‚Geistselbst-Milieu‘. Der Schicksalszusammenhang, der sich früher erst nach dem Tod gezeigt hat, ist heute für eine bestimmte Entwicklung schon die Voraussetzung, dass er im Leben sich zeigt und sich immer tiefer freilegt. Und dieser Zusammenhang ist nicht mehr regional oder familiär geprägt, sondern karmisch, das heißt aus den Intentionen des vergangenen Lebens heraus impulsiert. Diese Intentionen zeigen sich im jetzigen Leben als Interesse an bestimmten Menschen, als Interesse an bestimmten Fragen und Lebensthemen. Und sie zeigen sich als Willensbewegungen, die ihrem Bewusstsein immer voraus sind. Insofern sind sie untergründig ahnend, das heißt sie sind meist nicht ganz ohne ein Bewusstsein dessen, , um was es gehen wird. Aber die Vorstellungen, die mit diesen Ahnungen verknüpft werden, sind oft zeitgeprägt und vorläufig. Das bedeutet: Der Willensanteil der Beziehungen ist vorlaufend, die Vorstellungen dazu sind provisorisch und evtl. illusionär, und es besteht die Notwendigkeit das Seelische dieser Beziehung erst mit Leben zu erfüllen. Mit einem Leben, was dem doch massiven Willensschub in der Beziehung gewachsen ist. Man erkennt sich erst mit der Zeit.
Zu diesem Erkennen gehört bei uns die individuelle Beziehung zur Anthroposophie als eine Art Form dazu. Die Beziehung zur Anthroposophie ist eigentümlich ambivalent ausgeprägt. Man müsste jetzt doch sehr konkret in die einzelnen Bezüge einsteigen um deutlich werden zu lassen, was mit dieser Ambivalenz im Einzelfall gemeint ist. Hier sollen nur einige Richtungen angedeutet werden. Einerseits die Beziehung zu den Bewusstseinsinhalten der Anthroposophie, sei es die Anknüpfung an die zeitgenössische Literatur, sei es die Rückbeziehung und Aufarbeitung der Steiner’schen Originaltexte aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Wir haben lange gebraucht, bis wir einen gewissen Zugang dazu gefunden haben und eine Arbeitsweise, die zu uns passte. Auch eine gewisse Abschirmung vom zeitgenössischen anthroposophischen Gesellschaftsprozess gehörte dazu. Es war ein intimes inneres Geschehen der beteiligten Menschen, das jahrelang dauerte bis man an die Aufarbeitung der Geschehnisse der letzten Jahre Steiners ging. (vor allem in der Grundsteinarbeit und Fragen der Weihnachtstagung). Im Gegensatz zu anderen Menschen, die sich auch mit diesen Fragen beschäftigten, erwuchs bei uns nicht ein restaurativer Wille zur Wiederherstellung der Original-Weihnachtstagungsgesellschaft usw., sondern es gab eine Bewegung auf die heutige Gesellschaft einerseits und Wolf-Ulrich Klünker und einige andere Menschen andererseits. Wobei die letzte Bewegung dann erst einmal vorherrschend wurde – zumindest für den engeren Kreis des Umkreises. Die Bewegung zur real existierenden Gesellschaft hin lief aber dadurch gewissermaßen parallel.
‚Horstedt‘ und der Umkreis hier wurden dann zu einer ganz eigenen Wirklichkeit in einem größeren Kreis und einer größeren Bewegung. Dabei war die Auseinandersetzung mit der vorhandenen gelebten Anthroposophie ein wichtiges Lebensfaktum, dass für die einzelnen Menschen sehr unterschiedlich zur Geltung kam und sehr unterschiedlich sich mit dem Leben verknüpfte. Ich erinnere mich z.B. an viele Fahrten nach Kassel, mal allein, mal mit Andreas, mal mit Elfi, die immer irgendeinen anthroposophischen Anlass hatten, sei es Mitgliederversammlungen, oder Konferenzen – bei denen ich gleichzeitig regelmäßig bei meinen Eltern übernachtete (oft mit Begleitung) und diese dadurch mit dieser Bewegung verknüpft waren. Das anthroposophische Schicksal der einzelnen Menschen im Umkreis war sehr verschieden, oder anders ausgedrückt, an der Beziehung zur Anthroposophie zeigte sich das sehr verschiedene Schicksal sehr deutlich, bis dahin, dass wir gerade in diesen Fragen uns unserer völlig, teilweise konträren Hintergründe bewusstwurden. Das bedeutet eine sehr feine Differenzierung in dieser Beziehung, die nicht einfach auszuhalten war und ist! (Auch das kann hier nur angedeutet werden).
Das Gleiche gilt für einige basale Lebensthemen. Z.B. die Frage nach der Gemeinschaftsbildung. Auch hier gibt es sehr deutliche Unterschiede zwischen den Beteiligten, sehr verschiedene Bedürfnisse, generell, aber auch in den verschiedenen Epochen der Entwicklung des Umkreis-Zusammenhanges. Trotzdem haben wir es bisher immer wieder geschafft mit den Spannungen aus diesen Unterschieden und Verschiedenheiten zu leben und diese auch fruchtbar leben zu lassen. Meine These ist, dass dies möglich wurde, durch eine gewisse Orientierung auf eine neue Form der Anthroposophie, auch eine neue Stufe, die im wesentlichen durch Wolf-Ulrich Klünker repräsentiert ist, aber auch innerhalb des Umkreis durch eine bestimmte Sehnsucht einerseits nach einer neuen aktuellen Menschenkunde und Psychologie, und einer bestimmten Arbeitsweise, die mit solchen individuellen Ausprägungen rechnet, ja sie sogar bewusst ausbildet. Nach einer gewissen Findungsphase mehr nach innen gerichtet, trat dadurch die eigentliche Aufgabe ins Bewusstsein: eine solche wirksame Menschenkunde des Ich weiter zu erforschen und zu leben. Es trat auch sehr differenziert, aber auch sehr deutlich, durch den Kontakt mit der gegenwärtigen Form der Anthroposophie, die eigene schon vorhandene konstitutionelle Vertiefung ins Erleben (im Kontrast zur Weltanschauungsanthroposophie).
Die eigene Lebensausstrahlung, aufgeweckt und verstärkt durch die gemeinsame Arbeit, führt dazu, dass die einzelnen Menschen immer stärker in der eigenen individuellen karmischen Willensrichtung tätig wurden. Genauer gesagt, immer stärker von der Welt in diese Richtung bewegt wurden. Dieses individuelle Eindringen in die eigene und doch objektive Schicksalswirklichkeit an dem ganz eigenen Zugangspunkt zeigt sich gerade in den letzten Jahren immer deutlicher. Das ist einerseits schmerzlich, weil bestehende Arbeitsformen und bestehende Beziehungsverhältnisse sich anscheinend dafür auflösen müssen, und die neuen dafür nötigen Formen und Beziehungen erst einmal nicht so deutlich sind. Andererseits beglückt es mich diese Entwicklung bei den Einzelnen zu bemerken. Ihr Charakteristikum ist es, dass sie teilweise sehr klein anfängt, weil sie keine flächendeckende Weltanschauungsveranstaltung ist, sondern eine erstmal punktuelle Ichwirkung im konkreten Leben. Daraus entsteht aber Schritt für Schritt Ich-Welt. Möglich sind in dieser Stufe der Entwicklung aber sehr interessante konstellative Wirkungen, wo man in verschiedenen Zusammensetzungen gemeinsam wirksam wird. Dieses Zusammenwirken setzt aber eine gewisse Einzelentwicklung voraus, denn nur dann ist der Blick auf den anderen gerichtet und nicht nur auf sich selbst. Die Ich-Wirkung und Wirksamkeit solcher gemeinsamen Wirkungen ist natürlich viel stärker, ist aber nicht mit Vorstellungen anzustreben, sondern ergibt sich aus der Welt.
So weit einmal ein Versuch einer Schilderung unseres Weges aus meiner persönlichen und aktuellen Sicht. Es wäre interessant unser weiteres Zusammenwirken in dieser oder anderer Weise zu beforschen und weiterzuentwickeln! Vielleicht finden wir dafür die nächsten Schritte…
Roland 18.10.2018